Schnell, schneller, kaputt. Der Siegeszug der Fast Fashion Industrie.

Begibt man sich auf die Suche nach dem Ursprung des Fast Fashion Phänomens, kommt man vor allem an einem Begriff nicht vorbei: Vertikalisierung. Was in den 1980er Jahre langsam begonnen hat, hat vor allem seit knapp zwei Jahrzehnten Hochkonjunktur. Große Konzerne wie die H&M Group, Primark oder Inditex setzen sich immer weiter in der Textilbranche durch, weil sie sämtliche Schritte der Produktionskette selbst abdecken können. Verkauf, Produktion, Entwurf – alles kommt aus einer Hand. Denn nur so können sie die Flexibilität, Billigpreise und Schnelligkeit gewährleisten, mit der sie den Fast Fashion Markt gekonnt überschwemmen.

Noch vor einiger Zeit sahen die Abläufe ganz anders an. Die Branche war klar in Industrie und Handel geteilt, Groß- und Einzelhandel getrennt. „From sheep to shop“ –  vom Rohmaterial bis zum fertigen Produkt – verging mehr als ein Jahr, das vor allem von den Messen bestimmt wurde, die HändlerInnen, EinkäuferInnen und ProduzentenInnen zusammenbrachten. Lange Zeit galten zwei Messen pro Jahr, auf denen die fertigen Kollektionen gezeigt wurden, als federführend.

Mittlerweile können Kollektionen in weniger als zwei Wochen produziert werden. Nicht nur, weil die Fast Fashion Unternehmen sich nicht von Messen abhängig machen, sondern weil sie auch alle weiteren Schritte wie Entwurf, Garn- oder Stoffproduktion, Konfektion und Retail abdecken. Das muss nicht zwingend heißen, dass alle Produktionsstätten den Fast Fashion Marken selbst gehören, sondern vielmehr, dass sie ihnen zur ständigen Verfügung stehen. Oftmals, weil sie die Fabriken mit ihren Großaufträgen komplett auslasten und somit über großen Einfluss verfügen.

Benetton war eines der ersten Unternehmen Ender der 1970er Jahre, das die rigiden Abläufe der Modewelt durchkreuzte und für sich optimierte. Statt gefärbte Garne zu kaufen, setzten sie auf Stückfärbung. Damit konnten sie sehr viel flexibler auf Trends reagieren, indem sie ihre Produkte erst sehr viel später als alle anderen einfärbten – und damit allen ein Stück voraus waren.

Auch wenn Benetton damals immer noch weit entfernt vom Fast Fashion Turnus war, zeigt sich hier bereits ein charakteristisches Element: Die Übernahme von Teilen der Produktionskette, um sie besser und kurzfristiger an die Nachfrage anpassen zu können. Diesen Ansatz hat sich die Fast Fashion Branche seit zwei Dekaden zunehmend zu eigen gemacht. Dabei sind drei Punkte für die Erfolgsgeschichte der Fast Fashion ausschlaggebend: Schneller, billiger – und möglichst wenig eigene Verantwortung.

Das Endresultat sind 12-25 Kollektionen pro Jahr, die die Filialen füllen und den Fast Fashion Konsum ankurbeln. Insbesondere Zara, als erfolgreichste Marke der Inditex Gruppe, hat das Prinzip dahinter perfektioniert und benötigt gerade einmal 12-14 Tagen für eine Kollektion.

Neueste Trends bei Catwalks oder Influencern werden direkt weitergeleitet, von Designern kopiert und umgehend in den eigenen Fabriken in Spanien umgesetzt. Per LKW oder Flugzeug, Zara braucht nicht länger als 48 Stunden, um die fertigen Styles auf die Flächen des Einzelhandels zu bringen. Dabei werden zunächst nur einige wenige Teile in die Filialen gebracht, um über das Tracken der Verkäufe zu prüfen, welche Produktvariante – blau, beige, gelb – besonders erfolgreich ist. Erst dann werden die erfolgreichen Fast Fashion Produkte in größeren Mengen v.a. in Nordafrika produziert. Um den Verkauf zu optimieren, werden Filialen von Zara zweimal pro Woche mit neue Produkten beliefert. So wird der ständige Eindruck erzeugt, dass es immer wieder neue Styles gibt, die man unbedingt haben muss. Verstärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass Produkte bei Zara schnell ausverkauft sind: Alles, was länger als 4 Wochen im Laden hängt, muss gehen. Was sich nicht dreht, verschwindet. Fast Fashion par excellence.

Die Zahlen geben dem Ansatz der Inditex Gruppe recht: Mit mehr als 26 Mrd. Euro Umsatz im vergangenen Jahr führen sie die Fast Fashion Branche deutlich an. Aber auch die anderen Fast Fashion Konzerne setzen jährlich Milliarden um. Während beispielsweise die H&M Group auf 20 Mrd. Euro kommt, liegt Primark bei 8 Mrd. Euro, Asos und Mango bei rund 2 Mrd. Euro.

Doch was steht auf der anderen Seite der Fast Fashion Erfolgsgeschichte? Denn mit den Umsatzzahlen der Branche steigen gleichermaßen auch die Mengen an Kleidung, die in den Kleiderschränken landet. Fast 100 Kleidungsstücke hat jede|r Deutsche mittlerweile durchschnittlich im Schrank – und kauft trotzdem pro Woche ein neues Produkt. Im Jahr kommt man so auf 60 neue Teile – im Durschnitt 4 Mal getragen – von denen 12 Kilo schnell wieder auf dem Müll oder im Altkleidercontainer landen. Allein in Deutschland werden somit jährlich 800 Tonnen Textilien importiert.

Wer darunter leidet, ist offensichtlich und uns allen mittlerweile woh bekannt: Die Umwelt, die ArbeiterInnen in den Produktionsstätten, die Menschen in der Rohstoffgewinnung – und letztlich unser Einschätzungsvermögen, was noch gut und was schon längst zu viel ist. Denn so sehr wir uns bewusst sind, dass Fast Fashion keine zukunftsweisende Antwort sein kann, so sehr gewöhnt man sich unbewusst an ständige Verfügbarkeiten, Preise und Schnelligkeit. Damit man den Fast Fashion Alltag hinter sich lassen kann, muss man daher immer wieder neu das Ganze von außen betrachten: Um zu merken, wie wenig man wirklich braucht und zu sehen, welche Konsequenzen man sonst dafür in Kauf nimmt.

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Fotocredits: Tim Mitchell