Der Grüne Knopf. Chance oder Greenwashing?

Anfang September wurde der Grüne Knopf als erstes staatliches Metasiegel für Textilien gelauncht. Seitdem ist viel darüber geschrieben und diskutiert worden, weil insbesondere eine Sache bei vielen aufstößt: Der Grüne Knopf bleibt weit hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück. Damit untergräbt das Siegel das, was es eigentlich schaffen wollte – Klarheit und Verlässlichkeit für die Modebranche. Um den Überblick nicht zu verlieren, haben wir für euch die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

 

Was ist der Grüne Knopf?

Der Grüne Knopf ist ein staatliches Textilsiegel, das fair produzierte, ökologisch hergestellte Kleidung auszeichnen möchte, auf das sich VerbraucherInnen zu 100 Prozent verlassen sollen können. Das Siegel soll dabei die gesamte textile Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt – umfassen und für sämtliche Materialien gelten. Dafür formuliert der Grüne Knopf 26 Produkt- und 20 Unternehmensstandards, die Nachhaltigkeit und Transparenz garantieren und darüber hinaus unabhängig überprüft werden sollen. Als Metasiegel greift es auf bestehende Siegel wie den Global Organic Textile Standard (GOTS) oder IVN Best zurück und fasst sie unter seinem Dach zusammen. Das klingt zunächst ziemlich vielversprechend. Doch was genau kann das neue Siegel wirklich halten?

 

Ein Siegel für die gesamte Lieferkette?

Bislang gibt es kein Siegel, das die gesamte textile Kette in Bezug auf soziale und ökologische Kriterien abdeckt und dabei zusätzlich auf die Unternehmenspolitik und Praxis der einkaufenden Brands achtet. Auch wenn der Anspruch, genau diese Lücke zu schließen, überaus ambitioniert und wünschenswert ist, bleibt der Grüne Knopf weit dahinter zurück. Denn die einzigen beiden Bereiche, die momentan überprüft werden, ist die Konfektion und das sogenannte Processing – also das Färben und Veredeln der Stoffe. Alle anderen Stationen der Lieferkette, ob Baumwollanbau, Fasergewinnung oder Garnproduktion, werden momentan nicht beachtet. Die sukzessive Ausweitung auf fehlende Stationen der Wertschöpfungskette ist dabei erst für 2022 geplant, aber weder zeitlich noch inhaltlich verbindlich festgelegt. 

 

Niedrige Standards und Kontrollmechanismen

Um die Stationen der Konfektion und Färberei zu überprüfen, greift der Grüne Knopf auf bestehende Zertifizierungen zurück. Dazu gehören z.B. die Fair Wear Foundation (FWF) oder GOTS, aber auch der Industriestandards SA 8000 oder bluesign. Auch wenn die Zusammenfassung bestehender Siegel und Auszeichnungen mehr Klarheit schaffen könnte, werden hier unterschiedlich anspruchsvolle Ansätze und Schwerpunkte in einen Topf geschmissen. Das führt nicht nur zur Verwässerung, sondern zeigt vor allem, dass sich der Grüne Knopf auch mit weniger ambitionierten Standards begnügt. Außerdem wird ein weiteres Manko deutlich: Der Anspruch, alle Materialien zertifizieren zu wollen, scheitert bereits daran, dass es immer noch einige Materialien gibt, die gar nicht zertifiziert werden können. 

Hinzu kommt auch noch, dass es in den Fabriken vor Ort oftmals keine ausreichenden Kontrollmechanismen gibt, sondern einfache, angekündigte Audits als einzige Überprüfung ausreichen. Fabrikaudits können, wenn Marken mit ihren ProduktionspartnerInnen in engem Austausch stehen und gemeinsam an Verbesserungen arbeiten, hilfreich sein. Viele Studien haben aber ebenfalls gezeigt, dass sie allein für sich genommen kein Garant für die Einhaltung sozialer Standards sein müssen und leicht von Firmen als Deckmantel benutzt werden können.

 

Kein ausreichender Lohn

Obwohl existenzsichernder Lohn ein großes Thema im Textilbündnis ist und der Grüne Knopf bereits im Sommer auf der Fashion Week in Berlin mit fairen Löhnen geworben hat, ist es für das Siegel ausreichend, wenn nur der staatliche Mindestlohn gezahlt wird. In den meisten Ländern, die für unsere globale Textilproduktion relevant sind, liegt dieser Lohn jedoch weit unter dem, was zum Leben benötigt würde. In Bangladesch entspricht der staatliche Mindestlohn gerade mal 21% eines existenzsichernden Lohnes, in Rumänien sind es sogar nur 14%. In Äthiopien, das zu den neuen, aufstrebenden Märkten im Textilsektor zählt, existiert ein staatlich festgelegter Mindestlohn noch nicht einmal. 

 

Ausnahmeregelungen und Nachweise für Unternehmen

Die Kriterien, die Unternehmen erfüllen müssen, sind unter anderem an den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte angelehnt und bieten damit einen sehr soliden, anspruchsvollen Rahmen. Die Nachweise wiederum, die von den Unternehmen eingereicht werden müssen, dass sie sämtliche Kriterien erfüllen, sind jedoch viel zu lasch und intransparent. Oftmals bestehen sie nur darin, dass die Firmen ihre Einhaltung einfach schriftlich bestätigen. Gerade in Hinsicht auf die großen Billig-Discounter, die beim Grünen Knopf bereits mitmachen, lässt dies ein ungutes Gefühl entstehen, weil es auch hier keine ausreichenden Kontrollmechanismen gibt.

Einer der größten Kritikpunkte ist jedoch, dass für sämtliche Kleidungsstücke, die innerhalb der EU hergestellt werden, keinerlei Nachweise hinsichtlich ökologischer oder fairer Produktion benötigt werden. Diese Ausnahme wird damit begründet, dass es auf EU-Ebene bereits genügend Regulierungen gibt, die eine nachhaltige Produktion gewährleistet. Insbesondere in osteuropäischen Ländern herrschen jedoch immer noch kritische Umstände, die sich wenig von denen in Asien unterscheiden: Zu geringe Löhne, Zwangs- und Kinderarbeit, unbezahlte Überstunden, eingeschränkte Gewerkschaften oder inoffizielle Beschäftigung in Heimarbeit sind auch in der EU immer noch Probleme, die weder die Ausnahme darstellen noch durch bestehende Regulierungen eingegrenzt werden.

 

Fazit

All dies zeigt, dass der Grüne Punkt zwar hohe Ziele hat, aber weit von deren Umsetzung entfernt ist. Besonders kritisch ist dabei die irreführende Kommunikation, jetzt schon von einem Siegel zu sprechen, dass für sozial nachhaltige, umweltfreundliche Kleidung steht. Denn momentan können Textilien mit dem Grünen Knopf ausgezeichnet werden, die Pestizide im Baumwollanbau erlauben, Kinderarbeit nicht verhindern oder erdölbasierte Fasern und giftige PFC Imprägnierungen dulden.


Als staatliches Metasiegel hätte der grüne Knopf dabei die Möglichkeit, eine große Reichweite und eine hohe Vertrauensebene nutzen zu können und so tatsächlich mehr Klarheit für VerbraucherInnen zu schaffen. Das wird jedoch schnell verspielt, wenn klar wird, dass der Grüne Knopf nur einen Bruchteil von dem halten kann, was er verspricht.